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Gueules d'Européens: Manon, die "Patriotin"


Katharina Kloss

jeudi 12 février 2015
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Franzosen und Deutsche, zwischen 18 und 25. Einfach Europäer.






 

 






 
Manon ist 19 Jahre alt, trägt knallroten Lippenstift, einen blonden Bob und eine kurze Kunstfelljacke gegen das Pariser Schmuddelwetter im Dezember. Sie ist mit einer Mitfahrgelegenheit aus Reims gekommen, das war günstiger als die Bahn. Smalltalk ist nicht ihr Ding, Manon gibt sich verschlossen, aber präzise. Ein ganz normaler Teenager eben. Die junge Französin steckt mitten im Bac, das sie aufgrund ihres großen Kullerbauchs nun erstmal auf Eis legen muss. Manon ist im neunten Monat schwanger, in wenigen Wochen soll ihr Sohn zur Welt kommen. Sie wird ihn mit Hilfe der Mutter allein großziehen. "Solche Hürden im Leben machen stärker", sagt sie ganz ernst. Und dann ist da noch ein Detail: Manon engagiert sich passioniert für den rechtspopulistischen Front National (FN), der bei den Europawahlen 2014 besonders bei jungen Franzosen punkten konnte. Als sie mit der Volljährigkeit das Wahlrecht erhält, beginnt sie, sich für Politik zu interessieren. Das Programm des FN hat sie am meisten überzeugt.
Auf Facebook nennt sich Manon, die eigentlich Huard heißt, "Juste Manon" - einfach Manon. Denn sie weiß, die Nähe zu den Menschen ist das Motto ihrer Partei. "Es ist doch normal, zunächst an seine Schwester oder seine Tante zu denken, bevor man dem Nachbarn unter die Arme greift." Im FN-Jargon nennt sich das Ganze "préférence nationale": nationale Bevorzugung. Manon ist Meisterin der Selbstdarstellung. Gewollt und geschickt mischt sie auf ihrem Onlineprofil Öffentliches mit Privatem. Einen Selfie mit einem überdimensional großen Lutscher in den französischen Nationalfarben oder einen Schnappschuss von FN-Gründer Jean-Marie Le Pen mit freiem Oberkörper beim Boxen. Auf ihrer Pinn- wand spricht sie über Laizität und Lokalpolitik, über Delokalisierung und lespatriotes.net, das neue patriotische soziale Netzwerk des FN.
Marine Le Pen, die ihren Vater nach fast 40 Jahren ablöste, hat es seit der Übernahme des Parteivorsitzes 2011 binnen weniger Jahre geschafft, das angestaubte Image des FN zu "entdiabolisieren". Wie keine andere Partei in Frankreich mobilisiert der FN junge Leute, die in Krisenzeiten klare Linien bevorzugen. Auch bei Manon kamen die Slogans des FN gut an. Dass aus ihrer Generation ein Werkzeug gemacht werde, kann sie nicht nachvollziehen. "Wir sind die Arbeiter und Politiker von morgen", meint Manon. "Dass der FN uns in den Vordergrund stellt, beweist doch, dass er eine tiefgründig republikanische und demokratische Partei ist. In den anderen Parteien findet eine wahre Zensur der Jugend statt." Trotzdem war Manons Mutter, die traditionell links wählt, zunächst geschockt, als ihre Tochter im letzten Jahr erklärte, sie wolle sich für den FN engagieren. "Sie hatte Angst um meine Karriere. Sie sieht den Front National als eine Karikatur, eine fremdenfeindliche und rassistische Partei. Die Leute haben ja dieses Bild von uns, aber mir selbst ist das so nie begegnet."  Der neue FN gibt sich jung, surft im Web, spricht von Souveränität, Identität und Sicherheit - und das ganz ohne Tabu. Explizit rechtsextremes Gedankengut findet man eher in den Tiefen der Onlineforen. Wer die schwarze Justizministerin Christiane Taubira als "Affen" bezeichnet, fliegt kurzerhand aus der Partei. Und trotzdem: Die Distanz zu alten Diskursen ist nicht immer deutlich. "Weil wir ihm alles verdanken und ihn ewig verehren werden", schreibt Manon auf Facebook über den FN-Gründer Jean-Marie Le Pen, der 2014 noch verlauten ließ, Ebola würde das Einwanderungsproblem schon von ganz alleine regeln.


Raus aus der rechten Schmuddelecke

Der FN, das bestätigt auch Manon, ist salonfähiger geworden. Laut einer Umfrage des Meinungsinstituts Odoxa im Dezember 2014 sehen 58% der befragten Personen den FN mittlerweile als eine Partei wie jede andere. Negatives Feedback, wie Buhrufe während ihrer Vorträge vor dem Jugendparlament, gibt der 19-Jährigen Auftrieb. "Man könnte fast sagen, dass es in Frankreich ein Demokratiedefizit gibt. Alle müssen respektiert werden, aus diesem Grund habe ich Lust zu kämpfen." Und den Kampf, den will der FN vor allem illegalen Einwanderern und Europa ansagen. Um es mal grob zu sagen: Laut FN sollen sich die Ausländer dahin scheren, wo der Pfeffer wächst. "Ich merke die Unsicherheit", sagt Manon. "Ich habe selbst mehrere Monate in einem schwierigen Viertel in Reims gelebt, wo man mich fast täglich verbal oder physisch angegriffen hat. Das ist das Resultat der massiven Einwanderung, wir nehmen zu viele Leute auf, ohne ihnen zu helfen. Sie werden sich selbst überlassen, rotten sich in Vororten zusammen. Und dort wächst dann der Hass. Das Klima ist jedenfalls schlecht und daran ist auch Europa schuld." Das Europa, in dem Manon lebt, ist keine Seifenblase aus Freizügigkeit, Erasmus, Menschenrechten und Billigfliegern. Es ist ein verklauselter Lotterladen, der den Nationen ein hartes Spardiktat auferlegt und die Souveränität nicht respektiert. Manon jongliert mit den üblichen Verdächtigen, wenn sie von Europa spricht. Die Abgeordneten gingen kaum zu ihren Sitzungen, Frankreich müsse als Geberland für die ärmeren Staaten den Gürtel enger schnallen. Man möchte ja bitteschön nicht enden wie Griechenland. Deshalb sei sie linientreu für den Ausstieg aus der EU und die Rückkehr zum Franc. Auf die Frage hin, warum ein junger Mensch, der schon immer mit dem Euro bezahlt hat, sich den Franc zurückwünsche, kontert sie mit einem Bankengesetz aus dem Jahr 1973. Sie spricht von überdiplomierten Kassiererinnen, dem Wachstumseinbruch und der Angst vor Armut. Zahlen hat sie dafür immer parat. Was sie von den angestrebten Allianzen mit teilweise rechtsradikalen Parteien in Europa halte? François Hollande lasse sich ja auch neben Diktatoren in Tschapka ablichten, meint Manon.


Es darf kein Manko werden, in Frankreich geboren zu sein

Manon kennt ihre Pappenheimer, sie hat sich eingelesen. Das spürt ein Gesprächspartner sofort. Sie ist gewieft und seriös, schweift nur selten ab. Vielleicht wirkt ihr Diskurs auch des- halb etwas wiedergekäut. Nur beim Thema "Manif pour tous", der französischen Massendemonstration gegen die Homoehe, die letztes Jahr in Frankreich eingeführt wurde, ist sie skeptisch. Zunächst ist Homosexualität in den Rängen des FN keine Seltenheit mehr, sogar der Parteivize macht kein Geheimnis aus seiner sexuellen Orientierung. "Das schockiert mich schon. Ich finde, sie verteidigen keine gerechten Dinge. Jeder sollte in Bezug auf seine Rechte, Orientierungen und Herkunft gleichgestellt sein." Manon war sogar auf einer Gegendemo. In ihrer Partei hält sie sich darüber aber lieber bedeckt: "Man kann alles sagen, aber nicht als einfaches Mitglied. Sollte ich irgendwann mehr Verantwortung haben, kann ich es ansprechen."Der FN soll weiterhin Wegbegleiter bleiben. Zukunftsängste hat Manon nicht. Wenn ihr Baby geboren ist, will sie zunächst eine eigene Wohnung beziehen und ihr Bac machen. Unterstützung erhält sie dafür vom Staat. Danach peilt sie ein Wirtschaftsstudium an. Ihr Lieblingsfach in der Schule ist Englisch, das kann man dafür gut gebrauchen. "Ich fühle mich verantwortlich für die Zukunft meines Landes", sagt Manon. "Frankreich hat mir eine Ausbildung und ein Dach über dem Kopf geboten, ich stehe in der Schuld meines Landes. Ich bin mir bewusst, dass ich Glück hatte. Es darf kein Manko werden, in Frankreich geboren zu sein."


Manon Huard ist zum Zeitpunkt der Veröffentlichung kein Mitglied des FN mehr. Nachdem es im Dezember 2014 innerhalb der Partei heftige Auseinandersetzungen um eine angebliche "Gay-Lobby" um Marine Le Pen gegeben hatte, entschied sich Manon zum Austritt. Am selben Tag hatte sie ihr offizielles Coming-Out. Manon vertritt weiterhin alle oben genannten politischen Ansichten. Leider würden diese aber momentan weder vom FN noch von irgendeiner anderen Partei repräsentiert.
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