Gastbeitrag von Dr. Claire Demesmay und Dr. Barbara Kunz

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Brüchige Brüderlichkeit


Gastbeitrag von Dr. Claire Demesmay und Dr. Barbara Kunz

lundi 16 février 2015
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Gastbeitrag von Dr. Claire Demesmay, Leiterin des Frankreich-Programms der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), und Dr. Barbara Kunz, Projektleiterin "Europäischer Dialog - Europa politisch denken" bei der Stiftung Genshagen.






 
Die Anschläge in Paris im Januar 2015 haben die französische Sehnsucht nach der "unité nationale" - der nationalen Einheit - wieder erwachen lassen. Nicht nur die Politiker aller Couleur, auch die Millionen Bürger, die am Sonntag auf die Straße gegangen sind, wollten in erster Linie Einigkeit demonstrieren. Dabei handelt es sich um ein Gut, das in Frankreich höchsten politischen Wert hat und seit Jahren als gefährdet gilt. 
Diese Angst um den sozialen Zusammenhalt ist tief verankert und geht weit über den Kreis der politischen Akteure hinaus. Auch französische Unternehmer machen sich Sorgen um den Erhalt des Republikanischen Modells - und das, obwohl sie sich in diesem Punkt in einem relativ geschützten Milieu bewegen. Das ergibt eine Befragung, die die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) im Jahr 2014 unter Vertretern der Wirtschaft durchgeführt hat und deren Ergebnisse dieser Tage veröffentlicht werden.

Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit lautet die Devise der Republik. Dieses Modell bildet immer noch den Kitt der französischen Gesellschaft. Und gerade Chancengleichheit ist in diesem Zusammenhang ein wichtiger Baustein. Sie zu schaffen ist Aufgabe des Schul- und Bildungssystems. Doch der republikanische Konsens, die Bereitschaft aller Bürger, sich auf die republikanischen Grundwerte zu einigen, bröckelt. Immer sichtbarer werden die sozialen und kulturellen Unterschiede, und Frankreich tut sich in der Tat zunehmend schwer, das Versprechen von Einheit und Chancengleichheit einzulösen. 

In einer Gesellschaft, in der die kulturelle Vielfalt immer präsenter wird, hängt die Sorge um das Fundament des französischen Gesellschaftsvertrags auch mit Fragen nach dem Erhalt der französischen Identität zusammen. Dabei geht es jedoch nicht um die Stelle des Islam in einer christlichen Gesellschaft - wie hierzulande immer wieder und fälschlicherweise behauptet wird. Frankreich versteht sich nicht als christlich, sondern in erster Linie als "laizistisch". Religiöse und öffentliche Angelegenheiten sind somit streng zu trennen. Dies gilt übrigens nicht nur für Religionszugehörigkeit, sondern für alle Fragen der Identität, wie beispielsweise sexuelle Orientierung oder ethnische Herkunft: Sie alle sind über das Dasein als Staatsbürger hinaus Privatangelegenheiten und müssen es auch bleiben. Folglich haben sie im öffentlichen Raum nichts verloren, in dem alle nur Franzosen sind. 

Diese - nicht neuen - Ängste um das republikanische Modell sind durch die Anschläge akuter geworden. Nun muss Frankreich Antworten auf die Fragen nach seiner Zukunft finden. Der Zusammenschluss der "Januar-Tage" war ein erster wichtiger Schritt. Erst jetzt aber beginnt ein langwieriger Prozess, im Zuge dessen verkrustete Debattenstrukturen überwunden werden müssen, um zu langfristiger Einigkeit zu gelangen.
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