Von Julia Korbik

Deutschland wagt die Frauenquote


jeudi 12 février 2015
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Deutsche Unternehmensvorstände müssen weiblicher werden: Da das von alleine nicht zu funktionieren scheint, soll der Misere ab 2016 mit einer gesetzlichen Frauenquote Abhilfe geschaffen werden. In Frankreich hat man damit schon Erfahrung.


Natürlich bedauere er, sagte Ex-Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann 2011, dass es so wenige Frauen in Führungspositionen gebe, auch in seinem eigenen Unternehmen: "Aber ich hoffe, dass das irgendwann farbiger sein wird und schöner auch." Frauen in Führungspositionen als bunte, hübsch anzusehende Farbkleckse. Tatsache ist, in den Vorständen und Aufsichtsräten großer Industrienationen sieht es - um Ackermanns Bild zu benutzen - eher grau aus, sitzen dort doch viel mehr Männer als Frauen. Aus unternehmerischer Sicht ist das ziemlich dumm: Neurowissenschaftliche Studien zeigen, dass Frauen in Stresssituationen bessere Entscheidungen treffen als Männer. Sie gehen weniger Risiken ein und setzen lieber auf den kleineren, aber sicheren Gewinn, während Männer mehr Risiken eingehen und sich auf große, sogar unwahrscheinliche Gewinne konzentrieren. Unter Stress werden Frauen außer- dem empathischer anderen gegenüber - für Männer gilt das genaue Gegenteil. Kein Wunder also, dass gemischte Teams bessere Ergebnisse erzielen als rein männliche: Credit Suisse untersuchte zwischen 2005 und 2011 fast 2 400 internationale Unternehmen. Wenn mindestens eine Frau im Entscheidungsgremium war, fiel der Unternehmensumsatz um rund 26 % höher aus. Dass dieses Potenzial von Frauen genutzt werden muss, hat man in Frankreich bereits 2011 erkannt und eine verbindliche Frauenquote für Verwaltungs- und Aufsichtsräte eingeführt. Das Copé-Zimmermann-Gesetz sah bis 2014 einen Frauenanteil von 20 % in Verwaltungsräten börsennotierter Gesellschaften und Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern und mehr als 50 Millionen Euro Jahresumsatz vor. Bis 2017 soll der Anteil auf 40 % steigen. Der UMP-Fraktionsvorsitzende Jean-François Copé war sogar zunächst mit der Forderung nach einer Quote von 50 % vorgeprescht, musste diese jedoch abmildern. Bei der politischen Konkurrenz löste das Vorhaben wenig Begeisterung aus. PS-Fraktionschef Bruno Le Roux vermutete gar einen "PR-Gag", um bei Frauen zu punkten.

Quote der Diskriminierung?
Generell stehen viele Franzosen und Französinnen Quoten eher skeptisch gegenüber, stellen diese für sie doch eine Lösung à l'américaine dar - nämlich mittels positiver Diskriminierung. In einer leistungsorientierten Gesellschaft wie der französischen dominiert immer noch die Überzeugung, dass jede und jeder es von alleine schaffen kann, ja sogar sollte. Im Juli 2014 verabschiedete die Nationalversammlung trotzdem ein neues Gleichstellungsgesetz, Ausweitung der Frauenquote inklusive: Nun müssen auch Unternehmen ab 250 Mitarbeitern die Quote bis 2020 umsetzen. Firmen ab 50 Mitarbeitern erhalten keine öffentlichen Aufträge mehr, wenn sie geltende gesetzliche Gleichstellungsbestimmungen nicht umsetzen. Das französische Etappenziel für 2014 wurde zumindest schon erreicht: Der Anteil von Frauen in Verwaltungs- und Aufsichtsräten ist laut Ernst & Young 2013 auf 24 % gestiegen. Für die ehemalige Frauen- und heutige Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem (PS) ein Erfolg der "von Frankreich gewählten Strategie".
Eine Strategie, auf die man nun auch in Deutschland setzt, dabei allerdings sehr viel weniger ambitioniert vorgeht. Die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD beschloss im November 2014 nach langem Ringen eine verbindliche Quote von 30% für Aufsichtsräte börsennotierter Unternehmen ab 2016. Sollte sich für einen Posten keine geeignete Bewerberin finden, bleibt er unbesetzt. Für Vorstände, mittelgroße und kleine Unternehmen gibt es keine Quote, sondern nur selbstgesteckte Zielvorgaben. Im Oktober 2014 betrug der Anteil von Frauen in deutschen Vorständen nur 5,8 %, vorher lag er noch deutlich über 6 %. Angela Merkel hatte sich trotzdem lange gegen die starre Quote gesträubt und war wenig begeistert, als ihre damalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen 2011 in einem Interview mit dem Spiegel eben diese forderte. Merkel verwies lieber auf die 2001 eingeführte freiwillige Selbstverpflichtung für Unternehmen, mehr Frauen in die Führungsetagen zu befördern und verkündete, der Wirtschaft solle "noch einmal die Chance gegeben werden, freiwillig zu Fortschritten zu kommen". Dank der umtriebigen Ursula von der Leyen stieg die Anzahl der Quotenbefürworter in der CDU jedoch kontinuierlich und die Kanzlerin sah sich schließlich genötigt, eine feste Quote ab 2020 ins CDU-Wahlprogramm zu schreiben. 2013 landete diese dann im Koalitionsvertrag.Die neue Frauen- und Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) schritt sogleich zur Tat: "Jetzt ist Schluss mit den freiwilligen Vereinbarungen, wir werden das Gesetz auf den Weg bringen." Leichter gesagt als getan. Die CSU meldete verfassungsrechtliche Bedenken an und befürchtete außerdem eine zusätzliche Belastung der Wirtschaft. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder fand Schwesig gar "weinerlich". Letztlich sprach die Kanzlerin ein Machtwort. Die Opposition aus Grünen und Linken lästert nun über das "Quötchen", die Alternative für Deutschland (AfD) war sowieso dagegen. Wolfgang Schmitz, Hauptgeschäfts- führer des Unternehmerverbandes, befand: "Eine Quote behandelt lediglich die Symptome und nicht die Ursachen des geringen Frauenanteils in Führungspositionen." Was genau sind aber die Ursachen, dass so wenige Frauenden Durchbruch der "gläsernen Decke" zwischen mittlerem Management und Führungsebene schaffen? An der Qualifikation kann es nicht liegen, denn sowohl in Frankreich als auch in Deutschland machen Mädchen öfter Abitur als Jungen und schließen sogar meistens ihr Universitätsstudium mit besseren Noten ab. 

"Frauen müssen mehr einfordern"
Facebook-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg, die 2013 den Ratgeber Lean In: Frauen und der Weg zum Erfolg veröffentlichte, sagte im Interview mit der ZEIT: "Wir lassen uns immer noch von Klischeevorstellungen dominieren. Diese Klischees verhindern, dass Frauen genauso stark wie Männer dabei unterstützt werden, Führungspositionen einzunehmen und einzufordern." Das geht schon im Kindesalter los. Ob in Deutschland oder in Frankreich: Mädchen wird beigebracht, sich zurückzuhalten und bescheiden zu sein. Jungen hingegen gelten als stark und kämpferisch, ihr Ehrgeiz wird gefördert. So verinnerlichen viele Männer und Frauen schon von Kindesbeinen an bestimmte Verhaltensweisen. Das heißt allerdings nicht, dass es allein an den Frauen liegt, wenn sie sich den Kopf an der gläsernen Decke stoßen. Vielmehr ist die männlich geprägte Unternehmenskultur in Deutschland und Frankreich das Problem. Qualität, so heißt es, setze sich durch - aber das stimmt nicht. Vieles hängtvon Beziehungen ab. Die Arbeitswelt funktioniert wie ein sich selbst reproduzierendes System: Geht es um Personalentscheidungen, greifen Männer oft auf ihre zumeist männlichen Netzwerke zurück.Hinzu kommt, dass Männer eher nach Potenzial befördert werden, Frauen hingegen nach erbrachter Leistung. Ein weiterer, nicht zu unterschätzender Faktor: Frauen sind nunmal diejenigen, die Kinder bekommen. Die männlich geprägte Unternehmenskultur basiert auf der Vorstellung einer ununterbrochenen Erwerbstätigkeit, der Aufstieg in Führungspositionen findet allerdings meist zwischen dem 30. und 35. Lebensjahr statt. Genau die Zeit, in der deutsche und französische Frauen durchschnittlich ihr erstes Kind bekommen. Frankreich ist, was die Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrifft, weiter als Deutschland: Es gibt ein gut ausgebautes Netz an Ganztagsschulen und Betreuungseinrichtungen. In beiden Ländern gilt jedoch nach wie vor die Mutter als für die Familie zuständig. Erhalten Frauen von ihren Partnern keine Unterstützung, müssen sie die Doppelbelastung von Beruf und Familie alleine stemmen.Nimmt man all diese Faktoren zusammen, zeigt sich, dass es mit einer Frauenquote allein nicht getan ist - aber ein Anfang ist gemacht. An einer seit Jahrzehnten starren Unternehmenskultur ändert sich ohne externe Intervention eben nichts: Wer Macht hat, gibt sie nicht freiwillig ab.
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