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Das CERFA - Kritische Distanz oder arglose Nähe?


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Publié initialement le mercredi 11 février 2015
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Sind Think Tanks wirklich neutral oder aufgrund ihrer Aktivitäten politisch beeinflussbar? Diese Frage muss sich auch das Comité d'études des relations franco-allemandes (CERFA) gefallen lassen. Zwischen Politik und Forschung ist das Manövrieren nicht immer leicht.




Das Comité d'études des relations franco-allemandes (CERFA) liegt versteckt in einer kleinen Straße im 15. Arrondissement, weitab von anderen Think Tanks, politischen Stiftungen und Institutionen. Seine Konkurrenten, wie beispielsweise das Centre d'études et de recherches internationales (CERI) oder das Institut d'études de sécurité de l'Union européenne (EUISS) sind, bis auf wenige Ausnahmen, im Regierungsviertel rund um die Assemblée Nationale angesiedelt. Sie scheinen ihre politische Relevanz auch durch die imposanten Ausmaße ihrer Gebäude zu unterstreichen. Das CERFA hin- gegen sitzt in einer alten Milchverarbeitungsfabrik. Der Klinkerbau von 1929 in der Rue de la Procession wurde 1995 vom Institut français des relations internationales (Ifri), zu dem das CERFA seit 1971 gehört, umgebaut. Die Fassade ist nüchtern weiß verputzt, im glasüberdachten Hof befinden sich hinter einer eleganten Holzverkleidung ein Konferenzsaal und eine Bibliothek. Die Geschichte des CERFA geht bis in die 1920er-Jahre zurück, als im Rahmen der Verträge von Locarno erstmals das Interesse an einer deutsch- französischen Zusammenarbeit aufkam. Mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurden diese Bemühungen eingestellt und erst 1954 wieder aufgenommen. Diesmal gaben die Pariser Verträge, die der jungen Bundesrepublik Deutschland eine eingeschränkte Souveränität verliehen, den Anlass, es noch einmal mit der deutsch-französischen Versöhnung zu versuchen. Konrad Adenauer und Pierre Mendès France sprachen sich für eine wissenschaftliche Kooperation beider Länder aus und legten den Schwerpunkt auf die Geopolitik. Heute ist der Forschungskern des CERFA die Sicherheits- und Verteidigungspolitik, die Europapolitik und seit 2007 auch die Wirtschaftspolitik. Zu diesen Themen wird monatlich in den Notes du Cerfa veröffentlicht, außerdem organisiert man Konferenzen, Seminare und Workshops.
Der Forschungsbegriff des CERFA ist dabei nicht klassisch akademisch: Man will die Realität weder beschreiben noch analysieren. Als Think Tank hat das Institut eher eine politische Beratungsfunktion. Auch wenn es keiner Partei nahesteht, ist es im eng gestrickten hink-Tank-Netzwerk eher schwierig, von wirklicher Unabhängigkeit zu sprechen. Das CERFA unterhält Partnerschaften mit der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung und der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Tatsächlich findet man unter den Mitarbeitern der Notes du Cerfa neben Akademikern und Beratern auch Politiker wie Georg Fahrenschon (CSU), Sylvie Goulard (Mouvement démocrate) oder Pervenche Berès (PS). Das macht die unabhängige Beratung nicht unbedingt leichter.

Neue Ideen für die Wirtschaft

Ein Feld, auf dem das CERFA immer wieder das Wort ergreift, ist die europäische Wirtschaftspolitik. Hans Stark, der Generalsekretär des CERFA, ist überzeugt: ?Deutschland erwartet Reformen." Dennoch schätzt er auch das deutsche Modell, das in diesem Jahr viel in Frankreich diskutiert wurde, nicht als fehlerfrei ein. ?Die Positionen sind bekannt: Der Abbau der Arbeitslosigkeit zieht einen Anstieg der Prekarität nach sich", glaubt Stark. Selbst Marcel Fratzschers Buch ?Die Deutschland-Illusion" (siehe ParisBerlin #103), das die deutschen Arbeitsmarktreformen vor dem Hintergrund einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich analysiert, sieht Stark als ?nicht kritisch genug". Welche politischen Strategien nötig sind, lässt sich aber nur schwer aus den ?beratenden" Papieren des CERFA erkennen. Immer wieder weisen Soziologen auf genau diese Problematik hin: Wenn Think Tanks keine Interessen vertreten, müssen sie aufpassen, nicht zum bloßen Selbstzweck zu werden.In Frankreich scheint das CERFA recht deutlich wahrgenommen zu werden. Zwischen den Ländern ist Hans Stark überzeugt, dass Deutschland sich nicht unbedingt häufig mit Frankreich messe. Letzteres suche aber immer öfter den Vergleich. Dennoch schade es auch Deutschland nicht, einmal nach Frankreich zu schauen. ?Die Infrastruktur ist dort besser: Flughäfen, Autobahnen... Da wird mehr investiert." Muss das CERFA vor der französischen Öffentlichkeit die deutsche Politik rechtfertigen? ?Es handelt sich eher um eine Klärungsrolle", ist Stark überzeugt. ?Wir sind darum bemüht, die kritische Distanz zu wahren."Um den intellektuellen und interkulturellen Austausch zu fördern, hat das CERFA 2007 ein neues Projekt ins Leben gerufen. Der ?Zukunftsdialog", der auch von der Robert Bosch Stiftung mitgetragen wird, soll deutsch-französischen Nachwuchskräften den Berufseinstieg erleichtern. ?Fast alle, die sich heute inhaltlich mit den deutsch-französischen Beziehungen beschäftigen, waren mal bei uns", erzählt Stark. Auch wenn nur vier Angestellte beim CERFA arbeiten, besteht das Netzwerk des Think Tanks mittlerweile aus mehreren Hundert deutsch-französische Enthusiasten. Es bleibt zu hoffen, dass diese Nachwuchskräfte die kritische Distanz zu wahren wissen.
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