Gedankliche Barriere zwischen West- und Osteuropa überwinden
Vom 16. März bis zum 15. April versammelt das Film-Festival "L'Europe autour de l'Europe" die europäische Filmszene in Paris. Dieses Jahr steht das Festival unter dem Motto "Körper und Seelen" und stellt das österreichische Kino in seinen thematischen Mittelpunkt. Das "Filmarchiv Austria" präsentiert in diesem Rahmen österreichische Stummfilm-Klassiker des 20. Jahrhunderts.
"Mein Anspruch war es, ein Film-Festival zu gründen, das
Osteuropa und Westeuropa verbindet. Ich wollte die gedankliche Barriere, die
zwischen diesen "zwei Europas" existiert, mit dieser Konzeption überwinden",
sagt Irena Bilic, Initiatorin des Festivals "L'Europe autour de l'Europe". Das
Festival präsentiert dem Publikum daher Kurzfilme, Dokumentationen,
Animationsfilme und andere Produktionen aus den insgesamt 47 Mitgliedsstaaten
des Europarats. Anhand der filmischen Vielfalt wird so die Vielfalt Europas
deutlich. 2006 startete das von der Filmemacherin Irena Bilic initiierte
Festival mit 12 Filmen in der Normandie. Heute präsentiert es 72 Filme und 62
Kurzfilme in rund 20 Kinos und anderen kulturellen Orten in Paris.
Bemerkenswert ist, dass die Mehrheit der präsentierten Filme
noch nie in Frankreich gezeigt wurde. Die Besonderheit des Festivals besteht
darin, dass es Regisseuren die Möglichkeit bietet, Kontakt mit Produzenten und
Vertreibern herzustellen und sich so ein Netzwerk aufzubauen. Auch
Partnerschaften sollen auf diesem Wege initiiert werden. Bei Debatten, die um
die Filmaufführungen herum veranstaltet werden, treten Regisseure außerdem in
direkten Kontakt mit ihrem Publikum.
Das Festival stellt jedes Jahr einen der 47 Mitgliedsstaaten
in seinen thematischen Mittelpunkt. Letztes Jahr widmete es sich Griechenland,
2013 stand Irland im Zentrum des Programms. Dieses Jahr hat sich Bilic für Österreich entschieden. "Die
österreichische Kinoszene ist seit Anfang des 20. Jahrhunderts sehr aktiv",
erklärt Bilic. Den Anfang markierten erotische sowie Propagandafilme, dann dominierte
der Expressionismus von Robert Wiene und Michael Curitz. "Ich bewundere
besonders das Talent des Regisseurs Michael Glawogger, der 2014 auf tragische
Weise bei einem Dreh in Afrika verschwunden ist", sagt Bilic. Wie kein anderer
habe er es verstanden, die Probleme der Dritten Welt, die Herausforderungen der
Globalisierung oder den Kampf der Menschheit um das materielle und spirituelle
Überleben zu thematisieren.
In der "Fondation Jérôme Seydoux-Pathé" haben die Zuschauer
die Gelegenheit, erotische Filme und Propagandafilme aus dem 20. Jahrhundert zu
sehen. "Zwischen 1906 und 1910 hat das Wiener Filmunternehmen "Saturn Film" des
Photographen Johann Schwarzer die ersten erotischen Filme produziert, die
sogenannten "Herrenabendfilme", erläutert Nikolaus Wostry vom "Filmarchiv
Austria".
Im Rückblick könnten diese Filme als erste österreichische
Fiktionsfilme bezeichnet werden. "Wir haben uns dazu entschlossen, diese
erotischen Filme zu zeigen, weil sie über eine starke emanzipatorische Kraft verfügen. Sie haben zugleich
etwas Zügelloses und weisen eine hohe thematische Vielfalt auf", begründet
Wostry die außergewöhnliche Film-Auswahl. Die Besonderheit der Saturn-Filme bestehe
darin, dass von Ehedramen bis Märchenspiel verschiedenste Thematiken in ihnen
zu finden seien.
Der Regisseur Hans-Jürgen Syberberg, der als Ehrengast des
Festivals seine Filme "San Domingo" und "Hitler - ein Film aus Deutschland"
zeigt, ist seit bald 50 Jahren im Filmgeschäft tätig. Die Rolle von Film-Festivals
schätzt er als sehr wichtig für die Filmemacher von heute und die europäische
Filmlandschaft insgesamt ein. "Der Austausch mit anderen Regisseuren und die
direkte Rückmeldung vom Publikum sind für einen Regisseur elementar", meint
Syberberg. Paris sei als Veranstaltungsort mit seinen interessanten Kinosälen
außerdem sehr attraktiv.
Das europäische Kino habe sich schon immer durch seine
Innovationskraft hervorgehoben - im Gegensatz zum amerikanischen Kino, das sich
vor allem durch seinen kommerziellen Charakter auszeichne. "Diese Innovation ist aber in Gefahr, wenn die
finanzielle Förderung aus öffentlicher Hand immer weiter eingeschränkt wird",
warnt Syberberg.
"Ein bestimmtes Zielpublikum hat "L'Europe autour de
l'Europe" nicht", meint Festival-Initiatorin Bilic. Wir setzen uns das Ziel, mit unserem Programm
ein möglichst breit gefächertes Publikum anzusprechen. Dieses Jahr rechnet Bilic
mit rund 150 000 Zuschauern. Darunter sind Fachleute genauso vertreten wie
Menschen, die sich nicht speziell mit der europäischen Filmszene auskennen.
Das Festival-Programm sowie weitere Informationen finden Sie
hier.
Der Eintritt zu den verschiedenen Filmen hängt von den
verschiedenen Veranstaltungsorten ab. Mit einem Festival-Pass (50 Euro bzw. 20
Euro für Studenten) hat man zu allen Filmen das ganze Festival lang Zutritt.
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