Die Zukunft der Presse
Der französische und deutsche Zeitungsmarkt sind sehr unterschiedlich, doch im digitalen Zeitalter müssen sie dieselben Hürden nehmen. Die konkurrenzstarke deutsche Presse ist dabei im Vorteil.
Noch nie erreichten die Tageszeitungen so viele Menschen wie heute und noch
nie waren die Erzählformen so vielfältig: Ein Online-Dossier vertieft die
Printreportage, zahlreiche Regionalzeitungen ergänzen ihre Berichte im Internet
mit Videos. Dennoch wurde selten so negativ über die Zukunft der Printpresse diskutiert
wie heute. In diesem Sommer widmete sich Arte mit der Dokumentation Journalismus von morgen: Die virtuelle Feder
dem Thema. In Frankreich kam im September der Dokumentarfilm Les Gens du Monde in die Kinos, der die
Redakteure von Le Monde während der
Präsidentschaftswahlkampagne 2012 begleitet und die wachsenden Probleme des
Redaktionsalltags beschreibt.
Über Jahrzehnte haben deutsche und französische Verlage ein höchst
einträgliches Geschäftsmodell für das Bedrucken und Verteilen von Papier
entwickelt - ein Modell, das in der digitalen Welt versagt. Werbeeinnahmen schrumpfen
und die Lesegewohnheiten ändern sich. Websites,
Blogs und soziale Netzwerke sind nicht nur zu Konkurrenten der
traditionellen Tageszeitungen geworden, sie verbreiten Nachrichten auch
schneller. Doch nicht alle sind pessimistisch, wenn es um die Zukunft der Printmedien
geht. Manche glauben gar an ein goldenes Zeitalter für Information und
Nachrichten, ihr Mantra lautet Qualitätssteigerung durch Kosteneinsparung. Den
alteingesessenen Printjournalisten werfen sie vor, in erster Linie um ihren
schwindenden Einfluss besorgt zu sein.
?Zwar sind in Frankreich und Deutschland die Herausforderungen dieselben,
die Ausgangssituationen sind aber sehr unterschiedlich", erklärt Valérie Robert,
Privatdozentin an der Université de la Sorbonne Nouvelle und Leiterin des
deutsch-französischen Journalismus-Masterprogramms. ?In Deutschland können wir
von einer echten Medienökonomie sprechen, die Marktdichte und der
Konkurrenzdruck sind hoch. In Frankreich ist dies nur in einem deutlich
geringeren Maß der Fall", meint Robert. Betrachtet man die Anzahl der
Tageszeitungen und Magazine, die Auflagen, Umsatzzahlen, Verkaufsstellen und Abonnentendichte,
liegen die deutschen Presseorgane stets weit vor den französischen. In
Frankreich gibt es meist nur eine Tageszeitung pro Region, nur selten
überschneiden sich die Verbreitungsgebiete. Nur bei der Onlineleserschaft führen
die französischen Zeitungen - allerdings ohne ein nachhaltiges Geschäftsmodell
gefunden zu haben. Das gilt für Ouest
France, die meistgelesene französische Tageszeitung, ebenso wie für die reine
Onlinezeitung Mediapart.
Aber auch in Deutschland gibt es mittlerweile Anzeichen einer Krise. Zwar
verkaufen überregionale Tageszeitungen wie die Süddeutsche Zeitung oder die Frankfurter
Allgemeine Zeitung noch 300 000 bis 400 000 Exemplare täglich,
insgesamt aber gehen die Auflagen zurück. Defizitäre Blätter wie die Financial Times Deutschland mussten den
Betrieb einstellen, andere wie die Frankfurter
Rundschau wurden von der Konkurrenz übernommen. Auch die ständigen Wechsel
der Chefredakteure bei Spiegel, Fokus und Stern deuten auf eine steigende Nervosität hin.
Noch haben deutsche Tageszeitungen die Möglichkeit, die Krise gestalterisch
zu bewältigen. Denn trotz eines leichten Rückgangs in der
gesamtwirtschaftlichen Bedeutung geht es der Medienwirtschaft laut
Kommunikationswissenschaftler Wolfgang Seufert in Deutschland gut: ?Die letzten
Jahre waren insgesamt erfolgreich für die deutschen Presseverlage, die
Rentabilität fällt immer noch in allen Teilbranchen weit überdurchschnittlich
aus". So erzielte Die Zeit beispielsweise
2013 das beste Umsatzergebnis ihrer Geschichte.
In Frankreich dagegen schreiben die meisten Zeitungen tiefrote Zahlen und
das trotz einer starken finanziellen Präsenz branchenfremder Finanziers. Zu
einer Stärkung der französischen Presselandschaft haben sie nicht geführt. Im
Gegenteil: Die Abhängigkeit von direkten Subventionen, ermäßigten Umsatzsteuern
und Vertriebshilfen, die sich im vergangenen Jahr auf etwa 700 Millionen Euro
beliefen, wächst. Gefördert werden nicht nur Qualitätszeitungen wie Le Monde oder Le Figaro, sondern auch Boulevardblätter wie Gala, Closer oder Télé Poche. Auch deshalb sieht Valérie
Robert die Situation in Frankreich sehr kritisch: ?Die Dynamik der
französischen Printpresse ist negativ. Wenn eines Tages Papier als Trägermedium
verschwinden sollte, dann sicher zuerst in Frankreich." In Deutschland sei die
Lage auch deshalb anders, weil dort die Tageszeitungen eine echte Konkurrenz zu
den Magazinen darstellten. ?In Frankreich hat sich die Presse eher in einer
Zuschauerrolle eingerichtet. Für den Leser ist das weniger interessant", erklärt
Robert. Hinzu käme ein ?Vertrauensproblem durch die teilweise undurchsichtige
Nähe der Medien zur Politik."
Den Verlagen scheinen momentan nur zwei Möglichkeiten zu bleiben: Kosten
sparen und neue Einnahmequellen finden. In Deutschland wie in Frankreich führt
dies zu zahlreichen Stellenstreichungen, denn Einsparpotentiale sehen Verlags-
und Zeitungseigentümer vor allem in der Zusammenlegung von Redaktionen und
Recherchediensten. Die Regionalpresse teilt schon jetzt das Schicksal der
deutschen Brauereien: Immer mehr Journalismus kommt aus ein und demselben
Redaktionskessel, Angebotsvielfalt wird mit individuellen Etiketten nur
vorgegaukelt. Die Westfälische Rundschau,
mittlerweile zur Funke-Gruppe gehörig, arbeitet mittlerweile ganz ohne Redakteure.
Ihre redaktionellen Seiten stammen von unternehmenseigenen, aber auch von
konkurrierenden Tageszeitungen. Der Norddeutsche Rundfunk (NDR), die Süddeutsche Zeitung und der Westdeutsche
Rundfunk (WDR) haben einen gemeinsamen Recherchepool gegründet. Die Axel
Springer SE, der unter anderem die Boulevardzeitung Bild gehört, hingegen erschließt erfolgreich neue
Finanzierungsquellen, insbesondere mit Investitionen in Onlineportale, die mit
Journalismus wenig zu tun haben. Der Verlag erwirtschaftet mittlerweile ein
Drittel seines Umsatzes online und gleicht so die sinkenden Einnahmen der
Tageszeitungssparte aus. In Frankreich versucht Le Figaro einen ähnlichen Weg zu gehen.
Das Modell des querfinanzierten Journalismus lässt sich beliebig
deklinieren: Die Frankfurter Allgemeine Zeitung
und Le Monde organisieren Konferenzen
oder Reisen, Die Zeit stützt sich auf
Nebeneinnahmen aus Bücher- und Filmreihen. Auch wenn es für manche kleine oder
regionale Zeitungen eng werden kann: Zumindest große Blätter können weiter erfolgreich
sein. Schließlich haben Verlage ihr Geld noch nie ausschließlich mit
Nachrichten verdient.
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