Von Manuel Fritsch
Gemeinsam mit der Haubrok-Fondation zeigt die Fondation Hippocrène Arbeiten zeitgenössischer Künstler. Die Ausstellung Thoughts that breath steht dabei in besonderer Verbindung zu ihrem Ausstellungsort, dem ehemaligen Büro des Architekten Robert Mallet-Stevens, der in den Jahren 1926-1927 den ganzen Straßenzug im 16. Arrondissement erbaut hatte. Das Büro ist in seiner ursprünglichen Form noch gut erkennbar, die weißen Wände allerdings scheinen es aus der Zeit heraustreten zu lassen und geben Raum für die Kunstwerke, die der Kurator der Ausstellung, der Sammler Axel Haubrok, sorgfältig ausgewählt hat. Hier sind Arbeiten des schottischen Künstlers Martin Boyce zu sehen, dem ein Großteil der Ausstellung gewidmet ist.
Evaporated Pools scheinen verwelkte Blätter zu sein, die der Wind an den Rand des Raums geweht hat. Braun, zu Häufchen zusammengekehrt holen die kleinen Krepppapier-Blätter das Herbstwetter von der Straße in den Raum, nur dass sie hier keine Windböe mehr durcheinander bringt. Ihre Form erinnert allerdings nur auf den ersten Blick an organische welke Blätter. Für ihre doch schroffen Kanten und groben Formen hat der Künstler sich bei den Betonbäumen der Brüder Jan und Joël Martel inspirieren lassen, die diese 1925 in Zusammenarbeit mit Mallet-Stevens entworfen hatten.
Diese versteckte Verbindung zu dem Architekten findet sich auch andernorts in der Ausstellung wieder. In der Arbeit Thoughts That Breathe zitiert Boyce durch die Schrifttype den funktionalen Stil Mallet-Stevens, während der mit einem Laser in das Papier gebrannte Text, « thoughts that breathe and words that burn » sich in den Brandmalen der Buchstaben materialisiert.
Mehrere Lüftungsgitter, ebenfalls eine Arbeit Boyces, sind in den Wänden eingelassen und fügen sich derart harmonisch in den architekturalen Rahmen ein, als seien sie schon seit den zwanziger Jahren dort. Auch hier wird deutlich, wie gut die Arbeiten des Künstlers mit den Räumen Mallet-Stevens harmonieren, in denen sie ausgestellt sind. Auch wenn sie dies nur scheinbar tun.
Boyce greift das funktionale Design des Architekten zwar auf, doch wendet er es stets in sein Gegenteil. So in Satellite. Die Stahlgestelle von vier Gartenstühlen und einem Tisch stehen in der Mitte des Raumes. Als seien sie am Ende des Tages, am Ende des Sommers aufgeräumt, sind sie übereinander gestapelt und mit einer Kette gesichert. Die scheinbare Funktionalität ist ad absurdum geführt, die Garnitur unbrauchbar, aus ihrem Gebrauchszusammenhang herausgenommen. Wie die Papierblätter auf dem Boden wird auch hier der Herbst evoziert, die Vergänglichkeit und Nutzlosigkeit weckt unweigerlich Melancholie.
Ähnlich funktionieren weitere Installationen der Ausstellung. White Desaster beispielsweise greift die funktionalen Regalsysteme von Charles und Ray Eames auf, doch fehlt dem Regal bei Boyce jegliche Öffnung, es bietet eine einzige geschlossene Oberfläche. Nur ein großes Brandloch bricht beängstigend die Abgeschlossenheit und zerreißt den Schein der makellosen nutzlos-nützlichen Oberfläche.
Nutzgegenstände verfremdet auch Markus Schinwald, von dem die Arbeit Untitled (legs) Nr.8 zu sehen ist. Der österreichische Künstler hat alte Chippendale-Tischbeine auf einen Holzsockel montiert, sie damit aus ihrer ursprünglichen Funktion herausgelöst und ihnen eine neue zugedacht. Die geschwungenen Holzteile erinnern an gespreizte Beine. Den Gegenständen wird neues Leben eingehaucht, menschliche Körperteile im selben Atemzug vergegenständlicht, zur reinen Funktion gemacht.
Des weiteren sind Arbeiten der schweizerisch-amerikanischen Künstlerin Carol Bove und des serbischen Künstlers Bojan Sarcevic zu sehen. Während Sarcevic mit filigranen, zerbrechlichen Arbeiten seinen Akzent auf die Flüchtigkeit legt, sind die Arbeiten von Bove tief in ihre Familiengeschichte eingeschrieben.
Thoughts that Breathe
Fondation Hippocrène
12, rue Mallet-Stevens, 75016 Paris
6. Oktober bis 18 Dezember
Dienstag bis Samstag 14-19 Uhr
Fotos: Manuel Fritsch