Von Maike Daub

 

Anders als für die meisten Studiengänge in Deutschland bewerben sich die Kandidaten in Frankreich nicht an jeder Universität einzeln, sondern über ein zentrales Internet-Portal. In diesem Jahr hat „Parcoursup“ das 2009 eingeführte „Admission PostBac“-Verfahren (APB) abgelöst. Doch nicht nur der Name wurde geändert, auch das Prozedere selbst hat sich gewandelt, um den Anforderungen des neuen Gesetzes zur Orientierung und dem Erfolg der Studenten (ORE), im täglichen Sprachgebrauch auch als „Plan étudiant“ bezeichnet, gerecht zu werden. Mit „Parcoursup“ soll es künftig fairer zugehen: zuerst und vor allem soll nicht länger das Losglück über das Schicksal tausender Studenten entscheiden, wie es bis letztes Jahr noch der Fall war.

 

Etwa 812 000 Studienwechsler und Abiturienten haben sich Anfang des Jahres auf der Plattform für je bis zu zehn Studiengänge beworben. Dieser Tage trudeln bei ihnen nun die ersten Antworten ein: Je nachdem, ob und zu welchem Grad die Bewerber die Anforderungen der Universitäten erfüllen, bekommen sie die Antworten „Ja“, „Ja, wenn“, „warten“ und „Nein“. „Ja, wenn“ bedeutet dabei, dass der zukünftige Student einer Art persönlichem Förderprogramm an der Uni folgen muss, um sicherzustellen, dass er die geforderten Herausforderungen erfüllt. Ein klares „Nein“ darf ungeeigneten Bewerbern nur bei zulassungsbeschränkten Studiengängen als Antwort gegeben werden – für alle anderen Studiengänge gilt im schlechtesten Fall der Wartestatus.

 

Endlose Wartelisten

 

Mit dem Freischalten der Ergebnisse an diesem 22. Mai haben nur etwa die Hälfte aller Bewerber eine oder mehrere positive Antworten erhalten. Der Rest landete auf Wartelisten, die oft über fünf Mal so lang waren wie die tatsächlich verfügbare Anzahl an Plätzen. Lehnt ein Kandidat einen ihm angebotenen Platz ab, indem er zum Beispiel einen anderen annimmt, wird dieser wieder frei und andere rücken auf der Warteliste nach oben. So hatten eine Woche später bereits über 550 000 Bewerber eine positive Antwort in ihrem Postfach.

 

Diese Zahl liegt deutlich über den Erwartungen des Bildungsministeriums, das mit dem Ziel gestartet war, bis zu den Abiturprüfungen Mitte Juni zwei Dritteln der Kandidaten einen Studienplatz bieten zu können. Das haben sie nun gut drei Wochen vorher bereits erreicht, doch die zukünftigen Studenten, deren Eltern und viele Lehrer sind „Parcoursup“ gegenüber weiter skeptisch. Denn 220 000 Kandidaten im Wartestatus haben noch immer keine Ahnung, ob und wenn ja in welcher Stadt sie in wenigen Monaten was studieren. Planungssicherheit sieht anders aus.

 

Der Aufschrei auf Twitter

 

Mit dieser Ungewissheit konfrontiert, wenden sich viele Bewerber sozialen Medien wie Twitter zu, um ihre Erfahrungen mit anderen zu teilen. Dort machen sie ihrem Frust über das neue Bewerbungsverfahren Luft und mischen ihn oft mit einer Prise Galgenhumor.

 

 

Das neue eingeführte System erscheint vielen wie ein Instrument zur Vorauswahl – selbst für zulassungsfreie Studiengänge. Welche Kriterien die Bewerber hätten erfüllen müssen, um ein „Ja“ als Antwort auf ihre Bewerbung zu erhalten, bleibt häufig unklar.

 

 

Ein weiterer großer Kritikpunkt ist, dass die Kandidaten ihre Wunschuniversitäten nicht länger klassifizieren können, ein „Ja“ für einen der zehn ausgewählten Studiengänge also nicht unbedingt bedeutet, dass dass ihnen ihre erhoffte Zukunft offensteht.

 

 

Insgesamt erscheint vielen Bewerbern, Eltern und Lehrern das neue Verfahren als unnötiger Stressfaktor, der die Schüler so kurz vor den Abiturprüfungen zusätzlich belastet.

 

Par Redaktion ParisBerlin le 31 mai 2018