Von Tanja Schreiner

 

Am 7. Juli kommt euer neues Album Double vie heraus. Was bedeutet dieser Titel?
Es geht einerseits um unser Doppelleben zwischen Büro und Bühne, denn neben unserer Tätigkeit als Rapper haben wir beide noch einen Hauptberuf. Ich arbeite als Journalist und Felix im Bildungsbereich mit Geflüchteten. Dann geht es auch um unser « double vie » zwischen Deutschland und Frankreich und natürlich um das Doppelleben als eineiige Zwillinge. Wir sind mittlerweile recht unterschiedlich, aber auf Kinderfotos rätseln wir oft selbst, wer wer ist. Früher wurden wir deshalb oft « Till-Felix » genannt – ein Name für beide.

Ihr beschreibt euer Album als ein « geopolitisches Peacezeichen in bewegten Zeiten ».
In der Welt passiert gerade ziemlich viel – Krisen und Konflikte, wie zum Beispiel in Syrien, Donald Trumps Politik, die Präsidentschaftswahl in Frankreich, und in unserem eigenen Land brodelt es auch irgendwie am rechten Rand. Wir hatten deshalb den Wunsch ein ernsthaftes und tiefgehendes Album mit aktuellen Themen zu machen. Durch Zufall haben wir einen Produzenten getroffen, der uns noch die richtigen Beats geliefert hat. Am Ende ist es auch ein etwas düstereres Album geworden. Wir sehen es als Appell, wieder zur Vernunft zu kommen, sich zusammen zu raufen und für Frieden zu kämpfen. Wir tun das auf musikalische Art und Weise und deswegen ist es für uns ein gerapptes Peacezeichen in sehr bewegten Zeiten, die auch uns manchmal unruhig schlafen lassen.

Vor Kurzem ist schon die erste Single des Albums, Flagge auf Halbmast,erschienen. Welchen Hintergrund hat dieses Stück?
Den Song haben wir auf dem Hartmannswillerkopf im Elsass gedreht, an dem im Ersten Weltkrieg 30.000 deutsche und französische Soldaten gefallen sind. Heute ist es eine Gedenkstätte. Ein schauriger, aber irgendwie auch ein magischer Ort mit einer speziellen Aura. In unserem Song erzählen wir von Jean Moulin, einem französischen Resistance-Kämpfer aus dem Zweiten Weltkrieg, und von Ingo Krüger, einem Mauerflüchtling, der sein Leben riskiert und dann auch gelassen hat, bei dem Versuch in die BRD zu kommen. Wir wollten diese Themen aufgreifen, weil wir sie aktueller denn je finden. Widerstand gegen Besetzung, gegen Menschen, die einem etwas verbieten wollen, gegen Intoleranz. Damals ging es um Machtansprüche und das passt für heute ganz genauso. Man versteht vielleicht besser, warum Menschen flüchten, wenn man sich an die Vergangenheit erinnert. Jean Moulin und Ingo Krüger waren Menschen, die ihr Leben riskiert haben, um sich für Freiheit einzusetzen und das finden wir lohnenswert. Wir haben ihre Geschichten in einen modernen Kontext gesetzt, um Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es heute ähnliche Situationen gibt wie damals.


In euren Texten mischt ihr Deutsch und Französisch. Woher kommt diese Leidenschaft für das Deutsch-Französische?
Wir sind in einer deutschen Familie aufgewachsen, waren aber früher regelmäßig im Urlaub in Frankreich. Schon da haben wir uns ins Französische verguckt. Schon in unserer Jugendzeit haben wir viel französischen Hiphop gehört. Das hat uns wirklich motiviert, ein Wörterbuch in die Hand zu nehmen und etwas nachzuschlagen, um die Texte zu verstehen. Heute sind wir Deutsch-Franzosen aus Leidenschaft, wir haben beide länger in Frankreich gelebt und sind dort auch regelmäßig. Dass unsere Musik zweisprachig ist, ist gleichzeitig eine Herausforderung und eine Botschaft, dass diese beiden Sprachen besser zusammenpassen, als man denkt und es sich lohnt sie zu lernen.

Was hat der Hiphop, was andere Musikrichtungen nicht haben?
Wir sind in den 1990er Jahren, der goldene Ära des deutschen Hiphops, aufgewachsen. In unserem Freundeskreis haben damals alle Hiphop gehört und schließlich auch angefangen selbst zu rappen – so freestyle-mäßig, Abends zusammen am Lagerfeuer. Hiphop ist so das wohl textlastigste Genre überhaupt. Diese Wucht der Worte – was man darin alles verpacken kann, mit einer musikalisch recht einfachen, aber im Detail doch sehr vertrackten Struktur ­– hat uns irgendwie umgehauen. Der Ursprung des Hiphops war die Bronx, Leute die hochkommen wollten und ihren Ärger, ihre Wut oder ihre Leidenschaft in Wörter verpackt haben. Hiphop ist das Genre, mit den stärksten Botschaften. Mit Hiphop kann man einfach gut Geschichten erzählen.

© Lena Andrian

 

Ihr habt auch schon für Joachim Gauck gerappt. Wie kam es dazu?
Das war auch für uns eine Überraschung und eine große Ehre, als die Anfrage kam, auf Schloss Bellevue zu rappen. Wir sehen uns auch als politische Band und freuen uns, wenn wir Entscheidungsträger mit unserer Musik erreichen. In diesem Fall war das für eine grenzüberschreitende Veranstaltung mit Schülern aus Deutschland, Frankreich und Polen. Eine Erfahrung, von der man definitiv noch seinen Enkelkindern erzählen kann!

Ihr macht auch politische Projekte im Rahmen von Wahlen.
Zweierpasch, das sind etwa 50 Prozent reine Musik und 50 Prozent pädagogisches Engagement. Wir arbeiten seit zehn Jahren mit jungen Menschen, bringen ihnen über das Medium Hiphop Fremdsprachen bei oder beschäftigen uns mit bestimmten Themen, oft mit Politik. Deshalb nennen wir Zweierpasch auch eine Bildungsinitiative. Vor der letzten Bundestagswahl haben wir ein großes Projekt namens « Rap dich zur Wahl » gemacht. Eine Woche lang haben wir mit bildungsfernen Jugendlichen Wahlprogramme in Rap-Texte umgeformt. Mit Rap kann man Jugendliche an Themen heranführen, die auf den ersten Blick vielleicht nicht so spannend wirken. Mein Bruder leitet außerdem gerade zum zweiten Mal ein Projekt mit Flüchtlingen namens « Neuland.Wahl », in dem er Migranten an die Politik heranführt – auch da wird gerappt.

Sollte man Hiphop stärker in den Schulplan integrieren?
Unbedingt. Wir bekommen fast wöchentlich Anfragen von Lehrern, die unsere Songs im Unterricht nutzen, um zum Beispiel den Elysée-Vertrag oder die Flüchtlingsproblematik zu behandeln. Wir rappen wöchentlich mit Schülern in Deutschland und Frankreich. Rappen ist etwas sehr Zugängliches, nach 30 Minuten können die Schüler schon den ersten Reim kicken. Das funktioniert total gut, weil es die Sprache der Jugend ist, das kennen sie, finden sie cool und können sie auch lernen. Wir machen mittlerweile auch Lehrerfortbildungen und die Lehrer sind total interessiert. Wir geben ihnen einfache Handgriffe weiter, zum Beispiel wie die Schüler Vokabeln rappen können. Dafür muss man kein Rapper sein, das bekommt man auch als Lehrer hin. Hiphop hat das Potenzial in vielen Bereichen, in der Schule wie in der Universität, zu funktionieren. In den USA gibt es sogar schon einen Hiphop-Studiengang.

Was steht als Nächstes bei euch an?
Vor ein paar Monaten haben wir einen Song mit Geflüchteten gemacht, der Together as one heißt. Darin erzählen sie von ihrer Flucht nach Deutschland und wie es ihnen hier geht. Die Message ist: « Wir sind jetzt hier und wollen uns auch einbringen. Wenn wir zusammenhalten können wir etwas erreichen! » Mit den Jungs sind wir in den nächsten Wochen auf Tournée. Mit dabei haben wir einen Sänger aus Gambia, einen Rapper aus dem Iran, Syrien und mehrere Rapper aus Nigeria. Außerdem spielen wir am 2. Juli bei « Freiburg stimmt ein », dem größten Mitmach-Festival in Baden-Württemberg, und am 5. Juli eröffnen wir das « Freiburger Zeltmusik-Festival », eines der schönsten Festivals Deutschlands. Und im Januar ist eine große Frankreich-Tournee geplant.

Mehr Infos zu Zweierpasch gibt es hier…

Par Redaktion ParisBerlin le 19 juin 2017