Das Interview führte Tanja Schreiner

 

 

Sie sind eigentlich ausgebildeter Cellist. Wie kam es dazu, dass Sie Ihren Platz schließlich vor dem statt im Orchester wählten?

Ich habe lange Jahre Cello gespielt, Cello in Paris studiert und viel Kammermusik gemacht. Ich hatte ursprünglich nicht vor, Dirigent zu werden, aber so ist es dann gekommen. Es fing damit an, dass ich Marc Minkowski [französischer Dirigent und Gründer des Orchesters „Musiciens du Louvre“; Anm. d. R.] begegnet bin, seine Arbeit gehört und mich sehr dafür interessiert habe. Er gab mir schließlich die Chance, als Assistent für die „Musiciens du Louvre“ zu arbeiten. Ich nutzte diese Chance und ab diesem Moment ist alles vorwärtsgegangen.

 

 

Sie haben schon Opernproduktionen in verschiedensten Städten geleitet  – von Berlin, Marseille und Wien über St. Gallen und Lissabon bis hin zu Tel Aviv und Mexico City. Gab es eine Station, die Sie persönlich oder beruflich besonders geprägt hat?

Es gab viele, aber eine Station, die mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, ist eine Arbeit an der Staatsoper in Berlin. Mit der dortigen Staatskapelle machten wir im November 2016 eine wirklich wunderschöne Produktion von Georg Friedrich Händels Il Trionfo del Tempo e del Disingannounter der Regie von Jürgen Flimm. Das war nicht nur beruflich, sondern auch menschlich ein sehr interessanter und motivierender Moment.

 

 

© Bettina Stöß

 

 

Ab August werden Sie das Amt des Generalmusikdirektors des Saarländischen Staatstheaters in Saarbrücken antreten. Als Gastdirigent der Rossini-Oper Guillaume Tellhatten Sie vor Kurzem schon Gelegenheit, das Orchester persönlich kennenzulernen. Wie war diese erste Erfahrung?

Es war wirklich ein unglaublicher Moment. Als die Zusammenarbeit mit dem Orchester anfing, war ich sehr positiv überrascht, dass wir uns nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich sehr schnell gut verstanden und ein hohes Niveau erreichten. Die Zusammenarbeit war sehr gut, ich hatte von Anfang an das Gefühl, sie wollten wirklich im Detail und eng mit mir zusammenarbeiten.

 

 

In einem früheren Interview sagten Sie, dass Bodo Busse, der neue Generalintendant des Saarländischen Staatstheaters, und Sie sehr ähnliche Vorstellungen über das Musiktheater im 21. Jahrhundert hätten. Wie sehen diese Vorstellungen aus?

Wir denken beide, dass Musik und Theater stark miteinander verbunden sind. Ich bin nicht nur an der Musik interessiert und Bodo Busse ist nicht nur auf die Regie fokussiert. Wir versuchen, diese beiden Bereiche in der Oper wirklich zusammenzubringen. Ich interessiere mich sehr fürs Schauspiel und Theater und Bodo Busse ist auch die Musik sehr wichtig. Wir arbeiten sehr gut miteinander, sicherlich auch, weil wir uns seit Langem kennen und auch privat gute Freunde geworden sind. Das ist für eine gute Zusammenarbeit natürlich förderlich.

 

 

© Martin Kaufhold

 

 

Wie beurteilen Sie die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich im Bereich Kultur und insbesondere der Musik generell? Wird hier von beiden Seiten genug getan und an welchen Stellen könnte noch mehr getan werden?

Ich finde, es gibt noch zu wenige Projekte im Bereich Musik, die von Deutschland und Frankreich gemeinsam umgesetzt werden. Deutschland ist musikalisch und künstlerisch sehr viel aktiver als Frankreich und investiert zum Beispiel sehr viel mehr in die Kultur und die Musik, als es Frankreich leider tut. Man betrachte nur einmal die Anzahl an Opern und Theatern: In Deutschland gibt es über 90, in Frankreich sind es gerade einmal um die 20. Das deutsche Budget in diesem Bereich ist unglaublich hoch. Das Budget des Saarländischen Staatstheaters ist beispielsweise etwa äquivalent mit dem der Oper in Lyon – obwohl Saarbrücken eine Stadt mit 176 000 Einwohnern ist und in der Metropolregion Lyon über zwei Millionen Menschen leben. In diesem Bereich gibt es noch Verbesserungsbedarf und ich denke, hier sollten wir zum Beispiel mit Koproduktionen zwischen deutschen und französischen Theatern ansetzen.

 

 

Das Saarländische Staatstheater ist eine der wichtigsten Kulturinstitutionen im Herzen Europas und gerade einmal zwei Zugstunden von der französischen Hauptstadt entfernt. Welche Rolle spielen hier grenzüberschreitende Kooperationen?

Nicht nur, was die Kunst angeht, ist die deutsch-französische Zusammenarbeit in Europa wichtig. Auch politisch gesehen hat diese starke Bindung zwischen Deutschland und Frankreich große Bedeutung. Mir ist daher wichtig, dass wir nicht nur ein deutsches, sondern auch ein französisches Publikum anziehen und weiter an der deutsch-französischen Freundschaft arbeiten. Wir wissen alle, dass die Situation in Europa momentan etwas problematisch ist und es in mehreren Ländern Probleme und Spannungen gibt. Wenn diese Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich wegfällt, droht meiner Meinung nach das Ende Europas. Um dies zu verhindern, müssen auch wir als Künstler stark daran arbeiten, diese (kulturelle) Bindung weiter auszubauen. Bodo Busse und ich haben den Wunsch und den Willen, neue Projekte mit Theatern in der Region, wie aus Nancy oder Metz, und mehr Kollaborationen zwischen deutschen und französischen Musikern zu organisieren. Man sollte sich aber nie zu sehr nur auf ein Projekt oder eine Idee fokussieren, es ist viel interessanter, in alle Richtungen zu arbeiten. Wir denken daher natürlich auch an Kooperationen mit anderen Ländern wie Luxemburg. Am Saarländischen Staatstheater entwickelt sich gerade viel Neues –  mit einem neuen Intendanten, einem neuen Generalmusikdirektor und uns bleibt auch noch, einen neuen ersten Kapellmeister zu finden –; das bringt die Möglichkeit mit sich, viele neue Ideen einzubringen.

 

 

© Martin Kaufhold

 

 

Welche musikalischen Schwerpunkte möchten Sie in Ihrem Amt als Generalmusikdirektor in den nächsten vier Jahren setzen?

Das Saarländische Staatstheater hat ein sehr gutes Orchester und ich glaube, dass es ein großes Potenzial hat, sich qualitativ, zum Beispiel im Klang, weiter zu steigern. Selbstverständlich werde ich französische Musik machen, in der nächsten Spielzeit zum Beispiel Médéevon Cherubini undFaustvon Gounod, aber als Generalmusikdirektor muss man in alle Richtungen gehen und verschiedenes Repertoire spielen. Ich werde natürlich auch deutsche Musik aus dem 20. und 21. Jahrhundert und große Werke von Symphonikern wie die 4. Sinfonie von Anton Bruckner dirigieren.

 

 

Biografie

Schon in frühen Jahren begeisterte sich Sébastien Rouland, der aus Argenteuil bei Paris stammt, für die Orchesterleitung. Seit 2002 leitet er Opernproduktionen in Deutschland, Frankreich, Österreich, der Schweiz, Israel, Mexiko und Portugal, wodurch er sich zu einem vielseitigen Dirigenten seiner Generation entwickelte. Ab August 2018 wird er am Saarländischen Staatstheater in Saarbrücken das Amt des Generalmusikdirektors antreten.

 

Par Redaktion ParisBerlin le 24 avril 2018