Von Jakub Iwaniuk und Françoise Pons - Übersetzung : Henrike Rohrlack

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Frankreich

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Frostig bis freundlich: das französisch-polnische Verhältnis


Publié initialement le vendredi 18 juillet 2014
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Polen ist das einzige Land weltweit, das Napoleon Bonaparte in seiner Nationalhymne besingt. Doch erst mit dem Amtsantritt François Hollandes 2012 sind die Beziehungen zwischen beiden Ländern wieder herzlich geworden.




Frankreich und Polen verbinden eine tausendjährige Geschichte und eine so legendäre wie pathetische Freundschaft voller Missverständnisse. Der frühere Außenminister Bronislaw Geremek nannte dies eine "Asymmetrie der Gefühle": Polen war stets um die Anerkennung und Liebe Frankreichs bemüht, wurde aber in seinen Hoffnungen oft enttäuscht. Frankreich hingegen hat Polen in der Vergangenheit glühend verehrt, es aber immer als weit entferntes Land betrachtet. Dieses Bild ist nun im Wandel begriffen.
Die gemeinsame Geschichte der zwei Länder begann im Mittelalter. 1573 wurde der Herzog von Anjou zum König von Polen gewählt, doch nach nur fünf Monaten floh er und beschimpfte das polnische Volk als ?barbarisch, hochmütig, treulos, prahlerisch und geschwätzig". Die erneute Annährung ging von Frauen aus: auf französischer Seite heiratete Marie Luise von Nevers-Gonzaga (1611-1667) den polnischen König Wladyslaw IV. Wasa, während Marie Casimire d'Arquien mit Johann III. Sobieski liiert war. Auch zwei berühmte Männer Frankreichs ließen sich von Polinnen betören: Maria Leszczynska wurde die Frau Ludwig XV. und Maria Walewska Napoleons Mätresse.
Wirklich kennengelernt haben sich beide Völker erst im 19. Jahrhundert während Napoleons Siegeszug. Er ließ die Polen darauf hoffen, die Einheit ihres Landes wiederherzustellen. Nachdem Polen infolge von Gebietsaufteilungen im Jahr 1795 von der Landkarte verschwunden war, gründete Napoleon 1807 das Herzogtum Warschau, setzte den Code Napoléon ein und legte so den Grundstein für die Entstehung einer Nation. Das Herzogtum hatte aber nur acht Jahre Bestand, bevor es vom russischen Zaren zurückerobert wurde. Napoleons Vermächtnis aber nährte bis zur Konferenz von Jalta 1945 die Hoffnungen, die Polen über die Jahrhunderte hinweg in den Westen und allen voran Frankreich setzte. Auch ist es das einzige Land weltweit, das Napoleon in seiner Nationalhymne besingt: "Bonaparte gab uns vor, wie wir zu siegen haben."
               Das 20. Jahrhundert war geprägt von Ressentiments, deren Ausgangspunkt der Zweite Weltkrieg war. Im September 1939 war das französische Volk nicht bereit, "für Danzig zu sterben". Die Polen bezeichneten dies als "Frankreichs Verrat" und beklagten, dass die Franzosen ihnen beim Überfall auf Polen nicht geholfen hätten. Durch den gemeinsamen Kampf ebbte die Feindseligkeit wieder etwas ab.



                      Im Kommunismus zeigte sich die Vielschichtigkeit der französisch-polnischen Beziehungen. Die Ende der 1970er-Jahre entstandene Solidarnosc-Bewegung hatte auch Auswirkungen auf Frankreich, denn sowohl Intellektuelle als auch einfache Bürger setzten sich für die Polen ein. Die politischen Beziehungen hingegen waren etwas komplizierter. Als es galt, für die friedliche Koexistenz von Kapitalismus und Sozialismus zu sorgen, leitete Charles de Gaulle seine "Ost-Politik" ein, fuhr auf Staatsbesuch nach Warschau (1967) und Bukarest (1968) und "deutete beiden Ländern gegenüber an, sie könnten unabhängige Akteure auf der großen internationalen Bühne sein", wie der Soziologe Georges Mink schreibt. Charles de Gaulle war 1919 nach Polen versetzt worden und besaß gute Landeskenntnisse. Er bewunderte diese "Nation, die imstande ist, einen hohen Preis für ihre Freiheit zu zahlen" und nahm an, die Rückkehr zur Unabhängigkeit sei nur eine Frage der Zeit. Dass Frankreich sich jedoch mit der kommunistischen Regierung unter Edward Gierek arrangierte, machte das polnische Volk misstrauisch. "Für die Franzosen ist der Kommunismus eine Idee, der ein Hauch von Abenteuer anhaftet. Für die Polen ist er eine Tragik, eine Mauer, die sie von der westlichen Welt trennt", unterstreicht Georges Mink.


                   Als die kommunistische Regierung am 13. Dezember 1981 über Polen das Kriegsrecht verhängte und François Mitterrands Außenminister Claude Cheysson bekräftigte, dass Frankreich "selbstverständlich nichts tun wird", vertiefte sich der Graben zwischen beiden Ländern. Das Jahr 1989 ist schließlich richtungweisend für das französisch-polnische Verhältnis, denn der Zusammenbruch des Kommunismus brachte das europäische Gleichgewicht erneut ins Wanken. In den Worten des Politologen Aleksander Smolar war "das Jahr 1989 für Frankreich eine regelrechte geopolitische Katastrophe. Mitterand hatte erkannt, dass der Dreh- und Angelpunkt Europas sich mit dem Eintritt der Länder Mitteleuropas in den europäischen Club zwangsläufig von Paris nach Berlin verlagern würde." Während Polen und Mitteleuropa bis zu Beginn der 1990er-Jahre in der französischen Außenpolitik kaum eine Rolle spielten, gab Deutschland bereits 1991 den Anstoß zur Bildung des Weimarer Dreiecks als einer Kooperationsplattform für Frankreich, Deutschland und Polen, um Warschau auf dem Weg in die NATO und die EU zu begleiten. Frankreich wehrte sich zunächst gegen die EU-Osterweiterung, denn Außenminister Hubert Védrine zufolge "haben diese Länder nie einen Unterschied zwischen EU und NATO gemacht und hegen zudem eine große Bewunderung für Amerika." Aus Pragmatismus wertete Frankreich den Erweiterungsprozess schließlich als natürlich und unabwendbar.




Partner zweiter Wahl




Die anfängliche Zurückhaltung erweckte in Polen jedoch den Eindruck, für Frankreich lediglich ein Partner zweiter Wahl zu sein. Dieser Eindruck verschärfte sich unter der Präsidentschaft von Jacques Chirac während des Irakkriegs 2003. Der frühere polnische Präsident Aleksander Kwasniewski beschwerte sich 2012 in einem Interview in Le Monde: "Frankreich ist nie ein einfacher Partner gewesen und empfand uns gegenüber keinerlei moralische Verpflichtung, während wir oft über die historischen Bande zwischen Frankreich und Polen sprachen." Frankreich wiederum ärgerte sich über die Doppelzüngigkeit der Polen, die zwar einerseits den EU-Beitritt als ihr gutes Recht betrachteten und in diesem Zusammenhang umfangreiche finanzielle Beihilfen aus den reicheren Mitgliedsstaaten erwarteten, andererseits aber amerikanische F-16-Kampfjets anstelle der französischen Mirage-Flugzeuge kauften.





Sarkozy schlägt neue Töne an





Seit dem EU-Beitritt Polens im Jahr 2004 konzentrierte man sich wieder auf gemeinsame Interessen: Polen und Frankreich verfolgten im Hinblick auf eine starke Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und die Entwicklung einer europäischen Verteidigungspolitik dieselben Ziele. Mit der Wahl Nicolas Sarkozys erklangen plötzlich ganz neue Töne. In Anspielung auf seine ungarischen Wurzeln erklärte Frankreichs Präsident 2008 in der polnischen Presse: "Ich verstehe die Denkweise der Osteuropäer. Sie nehmen den Platz ein, der ihnen in Europa rechtmäßig zusteht. Polen ist ein großes Land, das Europa gemeinsam mit den anderen großen Ländern in die richtige Richtung ziehen muss." Diese Bereitschaft, Polen wieder in den Kreis der "großen Nationen" Europas aufzunehmen, rührte allerdings auch daher, dass ein drohendes polnisches Veto zum neuen vereinfachten EU-Vertrag abgewendet werden sollte. Frankreich beseitigte schließlich die letzten Hürden für die Freizügigkeit auf dem Arbeitsmarkt und schloss mit Polen ein Abkommen über eine strategische Partnerschaft. Diese bekam aber erst mit dem Amtsantritt François Hollandes den entscheidenden Impuls.


              Seither ist das französisch-polnische Verhältnis herzlicher geworden. Hollande, der nicht müde wird, die "historische Freundschaft" zwischen beiden Ländern zu betonen, hat die strategische Partnerschaft um ein Kooperationsprogramm mit militärischer Dimension ergänzt. Ziel ist die Ausgestaltung einer französisch-polnischen Partnerschaft nach dem Muster des deutsch-französischen Verhältnisses unter Nutzung sämtlicher Möglichkeiten, die das Weimarer Dreieck eröffnet. Die Polen sind ihrer ungleichen Beziehungen mit den Amerikanern mittlerweile überdrüssig und blicken öfter nach Brüssel als nach Washington. Gerade jetzt, wo das deutsch-französische Paar etwas kraftlos wirkt, die deutsch-polnischen Beziehungen jedoch ausgezeichnet sind, könnte die Annäherung zwischen Paris und Warschau durchaus hilfreich sein, um Kompromisse auf EU-Ebene zu finden und ein mögliches Gleichgewicht im künftigen Europa zu skizzieren.
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