Von Stefanie Eisenreich

 

„Hören Sie, junger Mann, man muss mehr arbeiten. Ich habe inzwischen den Verdacht, dass Sie etwas faul sind. Zu viele Nutten! Zu viel Rudern! Zu viel Training! Schreiben Sie! Für einen Künstler gibt es nur eines: alles der Kunst opfern.“ Diese Zeilen schrieb Gustave Flaubert im Jahr 1878 an den jungen Guy de Maupassant. 125 Jahre nach dessen Tod hat Arne Ulbricht dem Franzosen ein Buch gewidmet. Entstanden ist der erste deutsche biografische Roman über einen unkonventionellen Freigeist und begnadeten Autor. ParisBerlin traf den Autor in Paris und sprach mit ihm über seinen Roman.

 

Hallo Arne! Du hast schon einmal in Paris gelebt und sagst, du fühlst dich hier fast wie zu Hause. Woher kommt deine Schwäche für Frankreich?

 

Ich war in der Schule gut in Französisch. Das war eigentlich das beste Fach. Und dann hatte ich einen sehr guten Lehrer. Das ist für mich ganz schön, weil ich ja selbst auch noch Lehrer bin. Da sehe ich, was Lehrer tatsächlich ausrichten oder anrichten können. Ich glaube, ich habe auch wegen dieses Lehrers begonnen zu schreiben. Der hat mich derart begeistert für französische Literatur und für Frankreich, dass ich tatsächlich nach der Schulzeit nichts anderes als französische Bücher gelesen habe.

 

Dein biografischer Roman über Maupassant ist im vergangenen Jahr erschienen. Ist das Buch eine Hommage an diesen Lehrer?

 

Ich habe ihm das Buch gewidmet. Am Anfang aber habe ich gar nicht an ihn gedacht. Ich habe einfach eine Biografie von Maupassant gelesen, nachdem ich fast alles von ihm gelesen hatte, und dachte: „Wow, der Typ hat ja auch Gedichte geschrieben.“ Er war mit Flaubert eng befreundet, aber trotzdem hat er unglaublich lange kämpfen müssen, um berühmt zu werden, und hat auch nie einen Hehl daraus gemacht, dass er viel Geld verdienen will mit seinen Büchern. Er war mir sehr sympathisch. Und ich war auch ein bisschen neidisch, weil ich aus der Biografie heraus gelernt habe, was er da für ein amouröses Leben geführt hat. Einmal in meinem Leben hätte ich das auch gern gehabt. Seine Vielseitigkeit hat mich sehr fasziniert. Auf der einen Seite war er eine Art Extremsportler und gleichzeitig hat er sich in seinen Texten so klug und spannend geäußert. Früher habe ich immer gesagt, wenn ich nicht erfolgreich war: „Naja, ich bin ja noch nicht so alt wie Maupassant.“ Inzwischen habe ich ihn schon ein paar Jahre überlebt.

 

Du bist Lehrer und Schriftsteller zugleich. Hast du eine Präferenz für einen der beiden Berufe?

 

Ich will Schriftsteller sein. Ich stehe gern vor einer Klasse und bin vor und nach dem Unterricht immer gern mit den Schülern zusammen. Die erklären mir ja auch, warum morgen die Welt nicht untergeht, obwohl alle auf Facebook sind und die ganze Zeit am Smartphone hängen. Aber Schriftsteller zu sein, ist mein Lebenstraum. Das will ich seit über 20 Jahren. Ich bin da ganz unbescheiden. Ich will wirklich damit Geld verdienen. Das klappt leider noch nicht so. Deshalb bleib‘ ich daneben noch Lehrer.

 

Viele Schriftsteller behaupten gern, dass sie hauptsächlich für sich schreiben. Für wen schreibst du?

 

Das glaube ich keinem. Sobald man etwas veröffentlicht, schreibt man es auch für andere Leute. Ich habe immer den Leser im Hinterkopf. Ich würde nie einen Krimi schreiben, nur weil das massenkompatibel ist, aber sobald ich ein Thema habe, überlege ich mir schon, wie ich meine Leser dafür interessieren kann. Bei dem Buch über Maupassant habe ich ganz genau überlegt, wie ich deutsche Leser dazu bringe, sich für Maupassant zu interessieren. Das klingt jetzt ein bisschen esoterisch, aber als ich an dem Buch geschrieben hab‘, da war ich in Gedanken auch ein bisschen Maupassant. Das ist total faszinierend. Ich wäre wirklich gern einmal mit Maupassant und seinen Freunden am Wochenende rudern gegangen.

 

Einige Rezensionen kritisieren ja, dass es in dem Roman sehr ums « Rumvögeln » gehe. In einer Kritik heißt es zum Beispiel, dass das Buch eher pornografischen Charakter besitze und die literarische Perspektive aus dem Blick gerate. Warum so viel Sex?

 

Meine Frau findet auch, dass es zu viel um Sex geht und vor allem das Wort „vögeln“ zu oft vorkommt. Wenn man die Briefe und Gedichte von ihm kennt, habe ich aber auf keinen Fall übertrieben. Denn selbst Flaubert schrieb: „Ach, unser Maupassant hatte in drei Tagen 19 Mal Sex. » Das muss eine so unglaubliche Rolle in seinem Leben gespielt haben, dass er auf eine gewisse Art und Weise sexsüchtig war. Das kommt in vielen Novellen und Gedichten vor. Mittlerweile sage ich sogar: Weniger würde ihm gar nicht gerecht werden. Und wem das nicht passt, dem passt halt das Leben von Maupassant nicht. Das gestehe ich zu. Man muss das gar nicht sympathisch finden.

 

In Literaturkreisen sagt man oft, man solle beim Lesen eines Buches keine Rückschlüsse auf den Autor ziehen. Wie ist das bei dir? Wie viel Arne steckt in Maupassant?

 

In 90 Prozent der Fälle würde ich behaupten, das ist totaler Blödsinn. Bei Maupassant ist das ganz interessant, weil das ein echter biografischer Roman über einen französischen Schriftsteller im 19. Jahrhundert ist. In meinem Buch Mama ist auf Dienstreise geht es um die moderne Ehe, die ich mit meiner Frau führe. Darin habe ich ein Kapitel verfasst, wie ich Maupassant geschrieben habe. Mein Verleger meinte dann: „Arne, du hast ja auch ganz viel über dich geschrieben.“ Maupassant war Beamter und wollte es auf keinen Fall sein. Er wollte diesen schriftstellerischen Erfolg unbedingt und bei der Verlagssuche hat er wirklich gelitten. Als er den Erfolg nicht schnell geschafft hat, hat er das getan, was ich auch mache. Er hat Verleger und Journalisten angeschrieben. Ich freue mich, dass Maupassant im Jahr 1878 so penetrant war wie Arne Ulbricht im Jahr 2018.

 


Der Roman « Maupassant » erscheint im Herbst 2019 auch im Verlag Les Éditions du Sonneur auf Französisch. Mehr Informationen über Arne Ulbricht und seine Bücher auf www.arneulbricht.de

Par Redaktion ParisBerlin le 31 juillet 2018